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Sinn und Unsinn von Fragehoroskopen

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Ist die Beschäftigung mit Astrologie eine Garantie dafür, auf relativ einfache Weise – mit der geeigneten Software quasi auf Knopfdruck – zu mehr Selbsterkenntnis zu kommen?

Eine in letzter Zeit fast schon zum Modetrend pervertierte avancierte Technik besteht darin, zu einer bestimmten Frage ein Horoskop zu erstellen. Als Zeitpunkt wird meistens der Moment der Frageformulierung herangezogen.

In einigen Fällen ist es ein unerwarteter Telefonanruf, manchmal eine wichtige Email, manchmal einfach nur ein spontaner Gedanke, hin und wieder die neuste Variante vom umgekippten Sack Reis in China.

Solange die Fragestellung sich auf ein unpersönliches Thema bezieht – also eins, wozu das persönliche Radixhoroskop in keinster Weise in Bezug steht – ist dagegen auch nichts einzuwenden.

Möglicherweise gelangt man hierbei zu völlig neuen Fragestellungen, die den Weg zu ebenso völlig neuen Einsichten weisen. Astrologie als symbolische Plattform für einen belanglosen Kaffeeklatsch ein spannendes Brainstorming unter Gleichgesinnten. Warum nicht?

Aber in den meisten Fällen, wo in Diskussionsforen Fragehoroskope gepostet werden, geht es gerade nicht um ein x-beliebiges Thema, das völlig losgelöst von der eigenen persönlichen Situation irgendwo irgendwie im Raum rumhschwebt.

Im Gegenteil, oft geht es hier um Themen, die den Fragesteller sehr wohl persönlich berühren. So stark berühren, daß der/die Betreffende sich die Mühe macht, darüber etwas zu schreiben. Die Einzelfälle, wo es den Betreffenden nur um sinnfreien Zeitvertreib oder um egozentische Selbstbemitleidung Selbstdarstellung geht lasse ich einmal außen vor.

Hier stellt sich die Frage::

Wozu offen über persönliche/intime Empfindungen schreiben und anschließend ein Horoskop vorstellen, in dem nicht der klitzekleinste Bezug (vom Wohnort einmal abgesehen) zum ursprünglichen Fragesteller/Fragestellerin enthalten ist? Warum mutig und offen persönliche bis intime Details preisgeben und im selben Moment die Aufmerksamkeit auf ein unpersönliches Frage-Horoskop richten?

Neben der Frage, welche wirklichen Motive hinter dieser Ein-Schritt-vor-ein-Schritt-zurück-Taktik stecken, ergeben sich noch weitere – mehr technische – Einwände.

Um den entscheidenden Punkt herauszsutellen folgendes Szenario:.

Wenn in knapp 4 Wochen am 31. Dezember 2007 um 23:58 alle Bundesbürger einen Moment kollektiver Erleuchtung (innerlich, nicht durch spratzelnde Wunderkerzen) haben und sich auf die uralte Weisheit der Astrologie besinnen, dann sind es mit Sicherheit nicht die Sektkorken, die um Mitternacht knallen.

Es sind Strom-Sicherungen, die aus den örtlichen Stromverteilern herausschießen, wenn fast zum gleichen Zeitpunkt spirituell Suchende in der ganzen Republik ihre Rechner hochfahren um auf die Sekunde genau das Fragehoroskop fürs neue Jahr zu berechnen.

Als nette Ergänzung zum traditionellen Silvesterfeuerwerk könnte mir dergleichen sogar gefallen, einen astrologisch ableitbaren Erkenntniswert vermag ich darin nicht zu erkennen.

Bis auf den AC und MC, der innerhalb der BRD um einige Grad variieren kann, erhält jeder Fragende fast das gleiche Horoskop. Planeten an den wichtigen Häusergrenzen zu 1 (AC) und 10 (MC) können hierbei schon mal in verschiedene Häuser fallen, aber das ist zu wenig um der möglichen Vielfalt an Fragestellungen gerecht zu werden.

  • eine junge Frau überlegt sich, ob die Beziehung mit ihrem neuen Freund funktionieren wird
  • eine Hausfrau muß sich für eine neue Kücheneinrichtung entscheiden
  • ein Angestellter überlegt, ob er im Job mit dem neuen Chef klarkommen wird
  •  der Inhaber einer kleinen Export-Firma macht sich Sorgen wegen des Euro-Kurses
  • ein Arbeitsloser fragt sich, ob er denn demnächst einen Job findet
  • eine ältere Dame sorgt sich um den Gesundheitszustand ihres an Krebs erkrankten Gatten und befürchtet, daß sie das nächste Weihnachtsfest als Witwe feiern wird.
  • ein anderer älterer Herr, Beamter, freut sich auf seinen Vorruhestand und überlegt, welches EU-Land er mit seinem Wohnmobil im Frühling bereisen möchte.

Und so weiter….

Unterschiedliche Menschen, unterschiedliche Biografien, unterschiedliche Lebenssituationen, möglicherweise auch alternative Bewußtseinszustände (Alkoholpegel) – und auf all dies sollen Tausende Horoskope, die sich doch nur um ein paar Grad in den Häuserspitzen unterscheiden, eine auf den jeweiligen Fragesteller zugeschnittene sinnvolle Antwort geben? Donnerwetter!

Ich gebe zu, dieses Szenario wurde sehr plakativ konstruiert, aber es verdeutlicht den entscheidenden Knackpunkt. Es erfordert eine enorme Phantasie Anstrengung um aus nahezu identischen Konstellationen irgendwelche individuell verwertbaren Aussagen abzuleiten. Man könnte genauso gut aus der Geldbörde blind eine Euro-Münze ziehen, mit der Lupe auf Kratzer untersuchen und mit einem Nagel die passenden Aspektmuster einzuritzen.

Da ich es noch nicht ausprobiert haben, möchte ich ich nicht behaupten, daß eine derartige innovative Technik der Divination prinzipiell untauglich ist – aber eins ist klar: Mit Astrologie hat dies nicht mehr das Geringste zu tun.

Mein Vorschlag:

Bei Fragestellungen, die sich auf persönliche Vorstellungen, Emotionen, Entscheidungssituationen eines bestimmten Menschen beziehen und von diesem auch noch selbst formuliert werden, machen sogenannte Fragehoroskope wenig Sinn. Viel sinnvoller ist es, sich dem Thema über die Transite zum Radix anzunähern. Ich habe zu oft mitverfolgt, daß die ursprünglich formulierte Frage nur ein (unbewußt?) konstruiertes Ablenkungsmanöver ist, um erst anschließend im Dialog mit Dritten allmählich auf den Punkt zu kommen.

Es ist wie mit den Träumen.

Träume werden häufig als symbolhafte Hinweise interpretiert, um im Wachbewußtsein die Kontrollinstanz des zensierenden Intellekts auszutricksen und damit eine intuitive Perspektive zu ermöglichen.

In der Astrologie ist es manchmal nicht anders. Hier ist die Astrologie der Traum, wo die astrologischen Symbole eines Horoskopes die Traumsymbole ersetzen und sich gemäß ihrer Symbolstruktur der direkten intellektuellen Deutung entziehen.

Genauso wie ein Träumer sich nur selten bewußt ist, daß er sich ja in einen Traum befindet, ist dem Astrologie-Anwender das unmittelbare Verständnis der Zusammenhänge verwehrt, solange er die Grenzen seines momentanen Interpretationsrahmens nicht erkannt hat. Wenn in einem Traum Gegenstände oder vertraute Personen sich in etwas völlig Anderes verwandeln, erscheint dies erst nach dem Aufwachen als völlig absurd.

Niemand käme also im Wachzustand auf die Idee, daß sich der Hund in Nachbars Garten wie im Traum prophezeit in einen Tiger verwandeln wird, niemand würde deshalb panisch aus dem Bett springen und sofort das Tierheim oder die Polizei anrufen.

Und in Diskussionsrunden über Frage oder Ereignishoroskope?

In den Fällen, wo Ereignishoroskope zu einem eindeutig persönlichen Erlebnis
erstellt werden, bleibt der gesamte Prozess der Interpretation aller Symbole inclusive Deutung nichts weiter als ein symbolischer Vorgang, in dem auch die Interpretation der Symbole selbst einen symbolhaften Charakter erhält. Sozusagen ein Meta-Symbol.

Genauso wie oben käme niemand auf die Idee, in einer Diskussionsrunde ernsthaft zu erwarten, daß ein unpersönliches Fragehoroskop schon die endgültige Antwort zum Thema präsentiert.

Wie in einem Traum kann es passieren, daß sich weitere wundersame Dinge ereignen: Im Diskussionsforum tauchen aus dem Nichts dritte Personen auf, die aus dem Fraghehoroskop alle möglichen und unmöglichen Interpretationen herauszaubern: einer bestimmten Aspektfigur wird eine x-beliebige Bedeutung zugeordnet, ein anderer verzaubert diese zu dem Hund in Nachbars Garten, der kurz danach von einer vierten Person mit einer neueren Technik in den finalen Tiger verwandelt wird…

…bis ein mitfühlender webmaster/Sysop den Server runterfährt und alle plötzlich in der harten Realität vor einer „dieser-Traum-ist-im-Moment-nicht-verfügbar“-Fehlermeldung aufwachen.

Nochmal Glück gehabt! Denn erst das Wachrütteln durch einen Nicht-Träumer ermöglicht dem Fragesteller den nötigen Quantensprung. Bis dahin bleibt das gesamte Astrothema (Fragehoroskop) inclusive Diskussionsrunde ein perfekt ausgestattetes Symbolszenarium:

  • mit einem bunten Horoskop voll mit mystischen Symbolen, das genauso aussieht wie man es von einem „richtigen“ Horoskop gewohnt ist
  • mit einer Reihe sich ständig verwandelnder Deutungsschlüssel (Diskussionsbeiträge), die sich genauso interpretieren lassen, wie man es von „richtigen“ Deutungsschlüsseln erwartet: Hauptsache möglichst flexibel.

Der ganze Aufwand, nur um den Prozess der unangenehmen Konfrontation mit dem eigentlichen Kernthema (die aktuellen Transite über Radixplaneten) auf ein erträgliches Maß hinauszuzögern, wo doch ein Blick auf die aktuellen Transite ausgereicht hätte. Aber das wäre ja nicht kompliziert genug…

Um eventuellen Mißverständnisen vorzubeugen. Ich möchte nicht behaupten, daß Stundenastrologie nicht funktioniert, da ich hierzu noch keine eigenen Erfahrungen gemacht habe. Ich bevorzuge Techniken, die einen direkten Bezug zu einem bestimmten Menschen haben: das persönliche Radix und die aktuellen Transite sind aufgrund der Vielzahl möglicher Kombinationen (unterschiedliche Radix, unterschiedliche Transitzeiten) extrem vairable Faktoren, die in ihrer spezifischen Ausprägung für ein ganz bestimmtes Radix einen unmittelbaren Bezug zur aktuellen Situation eines Menschen innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens aufweisen.

Zudem erscheint es mit höchst fragwürdig, eine Technik zu bevorzugen, die innerhalb von wenigen Stunden oder gar Minuten stets die richtigen Hinweise liefern sollen. Gut, vielleicht wäre das was für Leute, die beruflich ständig in Extremsituationen wichtige Entscheidungen treffen müssen. Notfallärzte, Rettungssanitäter, Polizeieinsatzleiter und so weiter.

Für Normalsterbliche verläuft das Leben zum Glück in ruhigeren Bahnen, da genügt einmal in der Woche ein Blick auf die aktuellen Transite.

Die wichtigsten Transit-Themen sind solche, die sich über einen längeren Zeitraum (Monate) entwickeln, durch Transite der Langsamläufer (inclusive Jupiter) angezeigt werden und irgendwann dann bewußt werden; bsp. durch ein Ereignis oder eine getroffene Entscheidung.

Als grobe Faustregel:
Der Zeitpunkt ist gekommen, wenn entweder der Orbis eines wichtigen Horoskopfaktors die Orbisgrenze von einem halben Grad unterschreitet oder ein Schnelläufer mittels Konjunktion oder Opposition zusätzlich das Aspektmuster aktiviert.

Es wäre dumm, Transite zu ignorieren, nur weil sie schon sehr lange zum astrologischen Instrumentarium gehören und gerade eine andere Technik auf der Modeskala ganz oben steht.